Willenbacher & Rzebitschek 8812

 

Herstellungsjahr: 1836

 

1837 wurde die Fabrik von Willenbacher & Rzebitschek auf der Böhmischen Gewerbe-Ausstellung in Prag für ihre Erzeugnisse mit einer Goldmedaille ausgezeichnet

 







Vorwegnahme aus Hans-Jürgen Eisels weiter unten zitierten Restaurationsberichtes:

 

 

[Kamm nicht zu viel beschleifen!]

„Bei den auf dem Kamm sichtbaren dunkel erscheinenden Strukturen handelt es sich nicht um Rost. Diese unregelmäßigen Muster sind sichtbare Materialstrukturen des Stahles. Ein Polieren bzw. Schleifen der Kammoberfläche aus kosmetischen Gründen führe ich niemals durch. Dies führt immer zum Verlust der ursprünglichen Stimmung des Kammes. Bei den auf den Zungenoberflächen sichtbaren kleinen Einkerbungen handelt es sich um Werkzeugspuren, welche bei der Stimmung und Justierung während der Herstellung entstanden.“



Foto während der Restaurierung durch Hans-Jürgen Eisel


Foto während der Restaurierung durch Hans-Jürgen Eisel


Foto während der Restaurierung durch Hans-Jürgen Eisel


Foto während der Restaurierung durch Hans-Jürgen Eisel


Schräger Pfeil: Rebitschek-Eck; gerader Pfeíl: Kammträgerkerbe oder -ausnehmung zum Einsatz eines schraubenzieherartigen Instrumentes, das „Kammheber“ geheissen haben könnte


Foto während der Restaurierung durch Hans-Jürgen Eisel


Foto während der Restaurierung durch Hans-Jürgen Eisel


Die Unterseite des Kammes mit sichtbarer Bleikorrosion der Bleigewichte im Bassbereich


Die Unterseite des Kammes, der Diskantteil


 

Auszüge aus Hans-Jürgen Eisels Restaurierungsbericht

[Die Zwischenüberschriften in Kastenklammern kommen im Aufsatz nicht vor. Sie wurden deswegen eingefügt, um als Anker für die Verlinkung zu dienen und die Leserinnen und Leser anderer Abschnitte Gelegenheit zu geben, Vergleiche mit dieser Restaurationsarbeit zu ziehen.]

Hans-Jürgen Eisel: Das Kammspielwerk von Willenbacher & Rzebitschek im Technischen Museum Wien, in: Das mechanische Musikinstrument, Nr. 114, August 2012, S. 17 ̶ 22

[Bleikorrosion]
[...] Sieben Basszungen im Bereich der achten und zehnten Kammschraube können nicht frei schwingen. Durch die Bleikorrosion berühren sich die Bleiplatten gegenseitig.

[Verschleißspuren der Zungenspitzen]
Die Zungenspitzen haben deutliche Verschleißspuren. Insbesondere im Bassbereich ist die furchenartige Materialabtragung an der Unterseite der Spitzen, welche häufig angezupft werden, leicht zu erkennen. Diese Abnutzung entsteht durch die Reibung der Stahlstifte beim Anzupfen der Zungen. Die Breite der Furchen bleibt auf die Stiftbreite begrenzt, wenn die horizontale Position des Kammes nie verändert wurde. Hier aber sind die Furchen breiter und diffus, ein weiterer Hinweis darauf, dass sich die horizontale Kammposition irgendwann einmal veränderte. Auffallend ist, dass die Basszungen durch die Walzenstifte leicht nach links versetzt angezupft werden. Durch den starken Anhub der Zungen und den Verschleiß der Zungenspitzen werden die Zungen beim Spiel seitlich nach rechts ausgelenkt, rutschen vom Stift herunter und werden unsauber angezupft. Die Bleiplatte der entsprechenden Zunge kommt dann mit der rechts daneben befindlichen in Berührung und es entsteht ein störendes Geräusch, da kein freies Schwingen möglich ist. Auf Grund der geringeren seitlichen Elastizität der steiferen Diskantzungen und der hier fehlenden Bleiplatten tritt dieser verschleißbedingte Effekt im Diskantbereich nicht auf. Die beiden äußeren Diskantzungen ganz links am Kamm sind nicht der Tonleiter folgend gestimmt, sie bleiben bei beiden Melodien unbespielt. Der Kamm besteht komplett aus einem Stück Stahl. Durch Luuk Goldhoorn wurde veröffentlicht, dass am Kamm „Basszähne zusätzlich angeschraubt sind“. Dies ist nachweislich nicht der Fall. [Fußnote: Luuk Goldhoorn, Die Österreichische Spielwerkemanufaktur im 19. Jahrhundert – Ein fast vergessener Zweig des Kunsthandwerks, o.O. (Utrecht), o.J. (1999), S. 11]

Der Kamm
Am Kamm erneuerte ich zehn Federkieldämpfer, die von einer Hühnerfeder stammen. Etwa die Hälfte aller Pergamentdämpfer einschließlich der bereits Abgefallenen habe ich von Schellackresten befreit und die noch Brauchbaren wieder angeklebt. Die Dämpfer habe ich leicht nach vorn in Richtung Zungenspitze versetzt positioniert, um die fehlende Länge des verschlissenen Dämpfermaterials zu kompensieren. Etwa ein Fünftel der abgenommenen Pergamentdämpfer war ausgehärtet oder so stark abgenutzt, dass diese Dämpfer nicht mehr verwendet werden konnten, sie wurden durch selbst angefertigte Kunststoffdämpfer ersetzt. Sieben Basszungen konnten durch die seitliche Bleikorrosion ihrer Gewichte nicht mehr schwingen. Durch vorsichtiges Entfernen einer geringen Oxidschicht mit feinstem Schleifpapier und das Plattpressen der leicht unebenen Bleiplatten gelang es, den Zwischenraum zwischen diesen so zu vergrößern, dass die Zungen wieder frei schwingen können. Dabei war es mir wichtig, dass keine hörbare Verstimmung entsteht. Die horizontale Kammposition habe ich nach Absprache mit Herrn Donhauser minimal nach links versetzt. Dadurch soll die bereits erwähnte seitliche Auslenkung der Basszungen nach rechts vermindert werden. Augenscheinlich und auch akustisch wahrnehmbar kam mir der Anhub der Basszungen zu groß und der Anhub der Diskantzungen zu gering vor. Deshalb habe ich die Entfernung des Kammes von der Walze im Bassbereich leicht vergrößert und die Entfernung zur Walze im Diskantbereich etwas verringert. Dadurch werden die Bässe etwas leiser, die Höhen etwas lauter gespielt. Dies hat auch zur Folge, dass die Bässe nun zeitlich geringfügig eher erklingen, die Höhen etwas später.

[Papierstreifen zwischen Kammbasis und Grundplatte]
Zwischen Kammbasis und Grundplatte konnte ich geringe Papierreste feststellen. Durch diese ehemals kompletten Papierstreifen saß der Kamm früher einmal leicht erhöht auf der Grundplatte. Solche Papierstreifen sind nicht selten bei den Österreichischen Kammspielwerken zur Justierung von Kamm und Walze verwendet worden. Durch den geringfügig erhöhten Sitz des gesamten Kammes hatte das Musikwerk ehemals durchgehend von den Höhen bis zu den Bässen minimal leiser gespielt. Das Papier ist jedoch noch vollständig an beiden Lagerblöcken der Walzenwelle vorhanden. Die wenigen Überreste an der Kammbasis habe ich entfernt, um einen schlüssigen und exakten Sitz des Kammes auf der Grundplatte zu gewährleisten. Den Kamm habe ich wieder mit den markierten Kammschrauben in der ursprünglich vorgesehenen Reihenfolge befestigt. Bei dem Einschrauben des Musikwerkes in die Schatulle habe ich jede der vier gebläuten Schrauben mit einer Unterlegscheibe versehen.

Abschließende Bemerkungen
Da noch etwa die Hälfte der Dämpfer original und mit Schellack angeklebt ist, bitte ich zu beachten, dass sich diese Dämpfer nach und nach lösen und abfallen können. Ein Auftreten neuer Dämpfergeräusche ist somit jederzeit möglich. Ich schlage vor, das Musikwerk zu schonen und in Zukunft restriktiv spielen zu lassen.

[Unsauber oder leiser?]
Einige Zungen im Bassbereich werden verschleißbedingt unsauber angezupft. Dies kann durch Nachschleifen der Unterseite der Zungenspitzen beseitigt werden. Ein sauberes Anzupfen und Erklingen der Zungen wäre damit erreichbar. Die Folge dieser Maßnahme wäre jedoch, dass der Anhub der Zungen verringert wird. Dadurch wird der Ton etwas leiser und er erklingt zeitlich geringfügig eher. Die Schwingungsfrequenz wird ebenfalls leicht erhöht und ein anschließendes Nachstimmen kann erforderlich werden. Nach Abwägen der Vor- und Nachteile wurde auf diese Maßnahme verzichtet, zumal sie nicht reversibel wäre. Die Bleikorrosion ist für mich überraschend gewesen. Der weitere Verlauf sollte beobachtet werden. Es ist mir bisher keine Methode bekannt, diesen zu stoppen.

[Korrosion]
Durch die Korrosion erklingen manche Bässe in leicht schwebender Stimmung. In seiner Gesamtheit klingt das Musikwerk jedoch noch nicht verstimmt. Ich selbst habe ein kleines Kammspielwerk von Willenbacher & Rzebitschek mit der Werknummer 15365, etwa 170 Jahre alt. An diesem gibt es nicht die geringste Bleikorrosion, das Musikwerk war bis zum Zeitpunkt des Kaufes im Sockel einer Portaluhr eingebaut und das Blei ist mittel- bis dunkelgrau und noch leicht glänzend. Wie ein solch unterschiedlicher Verlauf der Bleikorrosion entstehen kann wäre ein interessanter Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Resümee
Meines Erachtens klingt das Musikwerk nach dem Abschluss der Arbeiten durch das jetzt stärkere Hervortreten der Diskantlage und das leichte Zurücktreten der Bässe wieder harmonischer. Im Vergleich mit älteren Tonaufnahmen des Musikwerkes steht fest, dass die ehemals starken Dämpfergeräusche behoben sind. Durch das wieder Hörbarmachen von sieben zuvor stummen Basszungen ist das Bassvolumen wahrnehmbar voller geworden. Der Windfang startet wieder zuverlässig und arbeitet ruhiger.


Fotos: Univ.-Doz. Helmut Kowar, Restaurationsfotos: Peter Donhauser und Hans-Jürgen Eisel